Sehr geehrte Frau Vorsitzende,
sehr geehrte Mitglieder des Petitionsausschusses,
wertes Publikum, liebe Elisabeth, liebe Julia,
zur Erläuterung der Petition „Rettet den Kindergarten Bauernfeldgasse“, die bis heute von mehr als 750 Bürgerinnen und Bürgern unterstützt wurde, muss ich kurz den Kindergarten beschreiben, um den es geht: der Kindergarten Bauernfeldgasse im 19. Bezirk beherbergt eine Gruppe von maximal 25 Kindern. Von der Straße kommend geht man vorbei an einem Wohnhaus, dahinter liegt der Kindergarten. Das als Erdgeschoß ausgeführte Gebäude stammt aus den 60er Jahren und besteht aus einem Gruppenraum, Garderobe, Küche, WC-Anlage und einem winzigen Büro. Hinter dem Gebäude liegt der Garten mit Rodelhügel, Klettergerüst und anderen Spielgeräten, Gemüsebeet, Gartenhütte.
Am Freitag, dem 26. Jänner taucht in der WhatsApp-Gruppe der Eltern ein Brief auf, den bis dahin noch niemand erhalten hat. Darin werden wir informiert, dass unser Kindergarten mit Juni schließt und am Montag eine Vertreterin der MA10 für weitere Informationen zur Verfügung steht. Als Grund für die Schließung angeführt wird der „schlechte bauliche Zustand“ und „grundstücksbezogene Gründe“.
Wir Eltern sind verwundert, denn im Herbst wurde eine 30m Künette ausgehoben, um Breitband in den Kindergarten einzuleiten – ein eher unübliches Ritual vor der Schließung. An besagtem Montag kommt eine freundliche Vertretung aus dem pädagogischen Bereich und kann uns auch im Gebäude nicht zeigen, wo sich der „schlechte bauliche Zustand“ versteckt.
Die Anmeldefristen für städtische Kindergärten beginnt im November – die Zuteilung der Plätze erfolgt im März. Eine Schließungsankündigung Ende Jänner, ohne Übergangsfrist ist seltsam.
Wir haben uns mit unserer Verwunderung über die rätselhaften Vorgänge direkt an das Büro Wiederkehr gewandt. Im Zuge der folgenden Brieffreundschaft wurden die Begründungen nicht glaubwürdiger. Wir fahren arglos in die Semesterferien, plötzlich verschlechtert sich der Gebäudezustand: plötzlich „übersteht das Gebäude keinen weiteren Winter“. Aus den „grundstücksbezogenen Gründen“ wurde nunmehr „mangelnde Verfügbarkeit der Liegenschaft“.
Nun, wir sind eine fröhliche Gruppe von Kindergarteneltern, unter ihnen rechtskundige Personen, eine Ziviltechnikerin und eine Menge Hausverstand. Der Blick ins Grundbuch und ein Besuch im Stadt- und Landesarchiv macht sicher:
Das Grundstück des Kindergartens gehört der Stadt Wien, die 1960 einer Wohnbaugenossenschaft ein Baurecht eingeräumt hat. Die Stadt bezieht also einen Baurechtszins und zahlt gleichzeitig Miete für den Kindergarten. Mit Auslaufen des Baurechtes in 14 Jahren fällt das Eigentum des Kindergartens wieder an den Grundeigentümer zurück – die Stadt Wien.
Der Garten hinter dem Gebäude ist sogar noch größer als derzeit vom Kindergarten genutzt, ganze 2.000m² und unbelastet im Eigentum der Stadt Wien. Mangelnde Verfügbarkeit?
Abteilung Hochbau teilt unter Verweis auf ihre laufenden Überprüfungen mit: Gebäudesicherheit ist kein Problem, Gefahr im Verzug liegt nicht vor.
Daraufhin haben wir unsere Petition gestartet und ich danke ganz besonders unserer lieben Freundin Leli, die uns sehr flott die homepage rettetdenkindergarten.at aufgesetzt hat.
Für uns war und ist bis heute nicht erkennbar, ob hier Vorbereitungen für Immobilienspekulation laufen oder weshalb in einer Millionenstadt ein Fenstertausch in einem Erdgeschoßbau zum Zusperren führen soll. Im Laufe weiterer Gespräche und Recherchen wird jedoch klar:
seit 2019 gibt es Beanstandungen der MA11, die Investitionen in das Gebäude fordert, andernfalls sie keine Betriebsbewilligung mehr erteilen will.
die MA10 ignoriert die Beanstandungen und informiert nicht einmal den zur Mitzahlung verpflichteten Bezirk. Auf keiner Kostenbeitragsliste der letzten Jahre ist diese Kindergarten als Sanierungsfall genannt. Ist die Betriebsgenehmigung erst einmal entzogen, sperrt man den Kindergarten zu und spart sich die Miete. Die Gartenflächen übergibt man in die Pflege der MA34. Die pflegt sicher, halt für keinen Nutzer mehr.
Um welches Ausmaß der Sanierungen geht es tatsächlich:
Alte Fenster. Ja, das ist richtig. Eine Erneuerung des Anstrichs dann und wann hätte helfen können, ist aber nicht erfolgt – ja, die Fenster sind am Ende ihrer Lebensdauer.
Sobald man die Fenster tauscht, muss man in die Substanz eingreifen. Ja, ein wenig Mörtel wird notwendig sein.
Bis hierher möchte man meinen, dass ein rascher Kostenvoranschlag und eine Durchführung der Sanierung in der Sommersperre kein Problem wäre. Besonders weil auch die Bezirksvertretung Döbling sich in vier einstimmigen Beschlüssen GEGEN die Schließung gewandt und ihre Zahlungswilligkeit bekundet hat.
Wir fordern
kurzfristig die Durchführung der gemäß Vorschreibungen der MA11 unbedingt erforderlichen Sanierungsmaßnahmen (Fenstertausch) zur Aufrechterhaltung des Standortes Bauernfeldgasse
die Durchführung einer Bedarfsuntersuchung für Kinderbetreuungsplätze (Krippe, Kindergarten, Hort) und Projektierung einer mittelfristig entsprechenden baulichen Lösung am Standort Bauernfeldgasse (letzte Untersuchung zu Zeiten Oxonitsch vor 10 Jahren)
Drittens: bis hierher spreche ich für eine Vielzahl an Proponenten, jetzt wird es persönlich – aber das nehme ich mir heraus.
Ja, wir haben tadellose Ersatzplätze in einem anderen städtischen Kindergarten bekommen – schönen Dank dafür. Wenn wir jetzt umdrehen, weil wir es uns persönlich gerichtet haben, ist es ein Verrat an allen Unterzeichnern der Petition und daher keine Option.
Was ist es denn anderes als lupenreiner Sozialdarwinismus, wenn jetzt WIR die Plätze in einem anderen städtischen Kindergarten bekommen haben, weil wir am lautesten waren? Wie viele Familien, die genauso Kinderbetreuungsplätze brauchen, hat man weggeschickt?
Mein Vater hat mich eine große Hochachtung vor den Errungenschaften der Arbeiterbewegung und des Roten Wien gelehrt, deren Wohltaten in Döbling deutlich zu sehen sind. Vom Kinderbad im Hugo-Wolf-Park über die öffentlichen Bibliotheken und Gemeindebauten mit ordentlichen Freiflächen ist ein reiches Erbe vorhanden.
Wie aber wird damit umgegangen? Die heute hier dargestellte Vorgangsweise mit einem idealtypischen Kindergarten soll der Standard der Verwaltung städtischer Einrichtungen in meiner Heimatstadt sein? Ich bin nicht bereit, mich damit abzufinden!
Auch am dritten Mai hoffe ich, dass der folgende Text noch Wiederhall findet bei einigen von ihnen – sonst kann meine fünfjährige Tochter, um deren Kindergarten es hier geht, ihnen auf die Sprünge helfen:
Wir sind das Bauvolk der kommenden Welt
Wir sind der Sämann, die Saat und das Feld
Wir sind die Schnitter der kommenden Mahd
Wir sind die Zukunft und wir sind die Tat
Ja, die „Arbeiter von Wien“ – DAS war die Hymne einer Sozialdemokratie, deren Anspruch es war, der Gesellschaft ihren Stempel aufzudrücken und für die große Bevölkerungsmehrheit Verbesserungen im täglichen Leben zu erzielen.
Was ist davon übrig? Wie singt man es heute? Wo bleibt die Verantwortung für jene Ideale, welche Sie angeblich hochhalten?
Fünf Jahre keine laufende Instandhaltung, keine Reinvestition – Ignorieren der Vorgaben einer anderen Magistratsabteilung – fünf vor zwölf den Bezirk und die betroffenen Familien überrumpelt wollen für eine billige Lösung: Gebäude zurück an den Baurechtsnehmer, Garten zusperren und von MA34 weiterpflegen lassen. Da entstehen eh auch Kosten, aber nicht mehr für die MA10. Für diese Art von Pseudo-Betriebswirtschaft gibt es ein treffendes Wort: Kostenstellenballett.
Wir wissen, dass mit dem Erfolg unserer Petition eine weitere Standortschließung im 18. Bezirk vorerst verhindert werden konnte. Wir erfahren eine Solidarisierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unterschiedlichster Magistratsabteilungen. Eine domain wie rettetdenkindergarten.at muss nicht beschränkt bleiben auf einen Standort, sondern lässt sich trefflich einsetzen. Womöglich wird das auch notwendig sein, denn leider verpasst die MA10 auch in ihrer Stellungnahme für den heutigen Termin die Gelegenheit zur Einsicht:
Jetzt ist die Gastherme ein Problem, weil sie 30 Jahre alt ist und Gasthermen üblicherweise nur 20 Jahre halten? Aber sie funktioniert! Nach dieser Logik mache ich mir große Sorgen um die Trinkwasserversorgung Wiens, denn die Hochquellwasserleitung ist noch viel älter und schon ewig abgeschrieben. Ich darf den ehemaligen Leiter der MA31, Hofrat Zerobin, zitieren „Sie glauben nicht, was der Kalk alles zusammenhält.“
Der Brandschutz: vom entferntesten Punkt im Gruppenraum sind es in diesem ebenerdigen Gebäude 19 Meter bis ins Freie. Seins mir nicht böse – muss ich mir jetzt Sorgen um den Bürgermeister machen, den man aus dem 1. Stock des Rathauses entfluchten müsste?
Ja, bei einem Neubau eines Kindergartens würde der Fluchtweg nicht mehr durch eine Garderobe führen dürfen. Na dann baut halt eine Reihe Spinde ein. Wenn die MA10 den Bestandschutz ignorieren möchte, wird es verdammt eng für viele andere Gebäude – darunter den Kindergartenstandort Osterleitengasse, in dem zwei Gruppenräume auch nicht direkt ins Freie entfluchtet werden können. Wie viele Kindergartenstandorte möchten Sie denn in Döbling noch schließen?
Das Antidiskriminierungsgesetz sieht einen barrierefreien Zielzustand vor – fällt genauso unter den Bestandschutz und an einem Einbau einer Rampe wird sie von unserer Seite niemand hindern.
So viel Holzweg lässt allmählich Verwechslungsgefahr mit dem Forstamt der Stadt Wien (MA49) entstehen. Hat die politische Führung den Unterschied zwischen VERWALTEN und GESTALTEN noch nicht begriffen?
Denn im Namen von mehr als 750 Wiener Bürgern verlange ich genau das: gestalten Sie!
Verzichten Sie darauf, jetzt noch einen luckerten Küchenvorhang als nächsten Grund für die Schließung hervorzuziehen!
Zeigen Sie, dass eine Grünfläche von 2.000 Quadratmetern weder verschleudert wird noch brach liegt, sondern zum Besten unserer Jugend verwendet wird – weil Kinderbetreuung in Wien einen Stellenwert hat.
Den Petitionsausschuss ersuchen wir um eine EINDEUTIGE Empfehlung an die MA10 und den zuständigen Stadtrat Vizebürgermeister Wiederkehr.
Wir sind der Zukunft getreue Kämpfer,
wir sind die Arbeiter für Wien!
Vielen Dank!
Bertram Haller